VW ist dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen VW Sharan wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verpflichtet.
Die Volkswagen AG ist dem Käufer eines Fahrzeugs, dessen Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verpflichtet.
Das hat das Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz entschieden (Urteil vom 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18). Der Käufer müsse sich aber einen Nutzungsvorteil anrechnen lassen.
Fahrzeug mit unzulässige Abschaltvorrichtung gekauft
Im aktuellen Fall hatte ein Mann aus Gebroth im Kreis Bad Kreuznach im Januar 2014 einen Pkw der Marke VW, Modell Sharan, als Gebrauchtfahrzeug (Erstzulassung 12.7.2012) für rund 31.000 Euro gekauft. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut, der nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamtes über eine unzulässige Abschaltvorrichtung verfügt. Der Mann nahm die Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeugs und Motors auf Schadensersatz in Anspruch.
Wenn er vom Einbau der unzulässigen Software gewusst hätte, so hätte er den Pkw nicht gekauft, erklärte der Mann vor Gericht. Er habe geglaubt, umweltbewusst zu handeln. Daher verlangte er in der Hauptsache die volle Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Sharan.
Der Mann stützte seinen Anspruch unter anderem darauf, dass die Volkswagen AG die Käufer mit dem Ziel der Gewinnmaximierung bewusst getäuscht und in der Folge vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe (§ 826 BGB).
Das Landgericht Bad Kreuznach jedoch hatte seine Klage in der ersten Instanz abgewiesen. Eine Haftung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wurde ausdrücklich verneint.
OLG Koblenz verurteilt VW wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung
Gerade das bewertete der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz nun aber vollkommen anders und bejahte einen Anspruch des Mannes aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung!
Das OLG Koblenz verurteilte VW zur Zahlung von fast 26.000 Euro an den Käufer. Die restlichen rund 6.000 Euro zogen die Richter in Anrechnung der bereits vom Käufer gefahrenen Kilometer als Nutzungsvorteil ab.
„Die Volkswagen AG habe dadurch, dass sie das Fahrzeug unter bewusstem Verschweigen der unzulässigen Softwareprogrammierung in Verkehr gebracht habe, dem Käufer der Wahrheit zuwider vorgespiegelt, dass der Einsatz des Fahrzeuges im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig sei“, so die Richter.
Und weiter:
„Das Inverkehrbringen trage die Aussage in sich, dass der Pkw nicht nur fahren könne, sondern auch fahren dürfe. Tatsächlich bestehe jedoch durch die verwendete Steuerungssoftware die Gefahr der Betriebsuntersagung und Fahrzeugstilllegung. Die Täuschung hierüber wirke auch beim Gebrauchtwagenkauf fort, da auch bei diesem unter anderem die Herstellerangaben Grundlage der Kaufentscheidung seien. Das Vorgehen der Volkswagen AG sei auch sittenwidrig, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar und besonders verwerflich. Insoweit wirke sich aus, dass staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher in großer Zahl systematisch zur Profitmaximierung getäuscht worden seien. Das Bestreben des Käufers, durch den Kauf eines möglichst umweltschonenden Produkts einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, sei durch eine gezielte Täuschung unterlaufen worden.“
Angesichts der großen Zahl der manipulierten Fahrzeuge halte es das OLG Koblenz daher auch für ausgeschlossen, dass Mitarbeiter der Volkswagen AG in leitender Stellung (zumindest der Leiter der Entwicklungsabteilung) keine Kenntnis von den Manipulationen hatten.
Und diese Kenntnis müsse sich VW zurechnen lassen. Dem Käufer, so das OLG, sei auch durch die Täuschung ein Schaden entstanden, da er, beeinflusst durch die Täuschung, den Kaufvertrag geschlossen habe und somit eine „ungewollte“ Verbindlichkeit eingegangen sei. Seine Erwartungen seien enttäuscht worden. Zudem stelle die drohende Stilllegung des Fahrzeugs einen Schaden dar, da die uneingeschränkte Nutzung des Fahrzeuges hierdurch in Frage gestellt sei.
Obwohl das OLG Koblenz dem Käufer somit einen Schadensersatzanspruch zugestanden hat, hatte die Berufung nicht in vollem Umfang Erfolg. Der Mann muss sich den durch die tatsächliche Nutzung seines VW Sharan gezogenen geldwerten Vorteil anrechnen lassen. Das OLG Koblenz hat daher den von der Volkswagen AG zu erstattenden Kaufpreis um diesen Betrag gekürzt. Dabei ging das OLG von einer durchschnittlichen Laufleistung des Motors von 300.000 Kilometer aus.
Urteil ist wichtige Munition für Musterfeststellungsklage
Mit seiner Auffassung steht das OLG Koblenz keineswegs alleine da: Auch das OLG Köln sah den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als erfüllt an (Beschl. v. 03.01.2019, Az. 18 U 70/18). Das OLG Karlsruhe hielt Schadensersatzansprüche eines VW-Kunden ebenfalls deswegen für begründet.
Das OLG Koblenz hat die Revision gegen das Urteil zugelassen. Das Verfahren geht damit nun wohl zum Bundesgerichtshof (BGH). Der hatte sich aber bereits in einem Hinweisbeschluss äußerst kritisch zu Volkswagens Motormanipulationen geäußert. Der BGH erklärte, bei der unzulässigen Abschalteinrichtung in den VW-Diesel-Fahrzeugen handele es sich nach bisheriger Bewertung um einen Mangel (Az. VIII ZR 225/17).
Sie sind auch betroffen?
Wenn Sie auch von dem VW Abgasskandal betroffen sind, so beraten und vertreten wir Sie in dieser Angelegenheit gerne.