Der (BGH) hat über den Kreditwiderruf geurteilt. Verbraucher durften ihren Kredit auch Jahre nach Vertragsschluss noch widerrufen, wenn die Widerrufsbelehrung Fehler hat. Angesichts aktueller Kreditkonditionen ist das für Kunden sehr lukrativ. Das neue BGH-Urteil ermöglicht Sparkassen-Kunden den Ausstieg aus einer hochverzinsten Baufinanzierung – auch wenn die Zinsbindung noch läuft. In dem Verfahren ging es um eine Widerrufsbelehrung der Sparkasse Nürnberg, die so oder ähnlich von zahlreichen Sparkassen im Zeitraum 2005 bis 2009 verwendet wurde. Sie beinhaltete Fußnoten, in denen es unter anderem heißt „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. Der BGH hat nun entschieden (Az. XI ZR 564/15), dass diese Widerrufsbelehrung ungültig sei. Dies liegt daran, dass es in dem Text heißt, die Widerrufsfrist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung…“. Dies sei für den Verbraucher verwirrend und unklar. Zum anderen können sich die Bank aufgrund der Fußnoten auch nicht darauf berufen, den Mustertext des Gesetzgebers verwendet zu haben. Aufgrund dieser Tatsache fängt die übliche 14tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen an. Damit sind solche Darlehen auch Jahre nach Abschluss noch widerrufbar und müssen rückabgewickelt werden. Verbraucher, die Verträge mit einer solchen Belehrung bis Dienstag, 21. Juni 2016, widerrufen haben, profitieren jetzt vom BGH-Urteil. Allerdings haben Banken und Sparkassen nur Nutzungen in Höhe von 2,5 Punkten und nicht 5 Punkten über dem Basiszinssatz herauszugeben.
Widerruf lohnt sich. Grund dafür sind die sinkenden Zinsen. Sie liegen heute für übliche Immobilienkredite oft unter 1 Prozent, wo vor Jahren noch 4, 5 und zuweilen sogar 6 Prozent fällig waren. Das macht den Kreditwiderruf lukrativ. Ab Widerruf müssen Kreditnehmer nicht mehr die teuren Zinsen von früher zahlen, sondern profitieren von den aktuell niedrigen Zinsen. Das spart je nach Zinssatz, Restschuld und restlicher Zinsbindung Tausende von Euro. Banken und Sparkassen müssen herausgeben, was sie mit dem Geld ihrer Kunden erwirtschaftet haben. Insgesamt geht es die Darlehensnehmer um beachtliche Beträge.
Auch bei Widerruf eines Kreditvertrags sieben Jahre nach Abwicklung des Vertrags kann der unter Umständen noch widerrufen werden, urteilte der BGH im zweiten Fall. Die HSH-Nordbank hatte einem Verbraucher im Jahr 2001 einen Kredit für den Kauf von Fondsanteilen gewährt. Der Käufer behauptete: Der Vertrag kam daheim zustande und ist deshalb als Haustürgeschäft widerrufbar. LG und OLG Hamburg hatten geurteilt: Darauf kommt es nicht an. Sieben Jahre nach Abwicklung des Kreditvertrags sei das Widerrufsrecht jedenfalls rechtsmissräuchlich ausgeübt. Der BGH hob diese Urteile auf und verwies den Fall zurück nach Hamburg. Das OLG muss jetzt klären, ob dem Kläger tatsächlich ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz zustand und ob der Kläger es im konkreten Fall vielleicht tatsächlich rechtsmissbräuchlich ausgeübt hat. Auch wenn der Verbraucher einen Vertrag nur deshalb widerrufe, weil sich das finanzierte Geschäft als ungünstig erwiesen habe, sei das nicht rechtsmissbräuchlich, schrieben die Bundesrichter den Richtern in Hamburg ins Stammbuch.
Rechtsanwalt J. Hagemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht fasst zusammen: „Immobiliendarlehen mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungen konnten Darlehensnehmer bis zum 21. Juni 2016 widerrufen. Das betrifft Verträge, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden. Innerhalb dieser Frist haben viele Darlehensnehmer ihren Vertrag widerrufen und Rückabwicklung verlangt. Auch wer sein Darlehen früher getilgt und dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt hat, konnte diese zurückfordern. Die Banken haben trotz fehlerhafter Belehrung den Widerruf nicht immer akzeptiert. Unsere Kanzlei hilft Ihre Rechte durchzusetzen. Bietet die Bank Ihnen einen Vergleich an, sollten Sie diesen ebenfalls von einem Fachanwalt überprüfen lassen. Haben Sie Ihren Vertrag zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen und wurde dafür eine Grundschuld eingetragen, können Sie nach dem 21. Juni 2016 nicht mehr widerrufen, auch wenn die Belehrung fehlerhaft war (Art. 229 § 38 EGBGB). Wer innerhalb der Frist widerrufen hat, kann Rückabwicklung und Nutzungsersatz verlangen.
Auch nach dem 21. Juni 2016 können Sie einen Immobilienkredit mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung noch widerrufen, wenn Sie den Vertrag nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen haben. Es gibt bereits einige Urteile, die auch neuere Belehrungen für fehlerhaft erklärt haben.“
Auch wenn die Finanzierung nicht mehr läuft, weil der Kreditnehmer vorzeitig aus dem Vertrag ausgestiegen ist, konnte ein Fehler in der Widerrufsbelehrung bares Geld bedeuten. Denn bei erfolgreichem Widerruf kann eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückgefordert werden. Das Widerrufsrecht besteht also auch nach dem 21. Juni 2016 weiterhin für Verträge, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden – vorausgesetzt die Belehrung war fehlerhaft. Dies betraf bsw. die Spardabank Nürnberg. Kunden konnten den Neuvertrag widerrufen, da der Darlehensnehmer anhand der Belehrung den Fristbeginn verlässlich und mit zumutbarem Zeitaufwand nicht ermitteln konnte. (OLG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2016, Az, 14 U 1780/15). Auch die neuere Belehrung der PSD-Bank RheinNeckarSaar eG war unwirksam, Kreditnehmer konnten widerrufen. (LG Stuttgart, Urteil vom 14. Oktober 2016, Az. 29 O 286/16). Der Widerruf von Krediten noch Jahre nach Vertragsabschluss ist grundsätzlich also weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich (BGH, Urteil vom 12.Juli 2016, Az. XI ZR 564/15). Der BGH hat in einem Beschluss vom 22. September 2015 klargestellt, das dem Darlehensnehmer ein sogenannter „Nutzungsersatz“ zusteht, weil die Bank mit den Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Widerruf wirtschaften konnte.(AZ. XI ZR 116/15). Kunden erhalten Nutzungsersatz auf bereits geleistete Zahlungen in Höhe der üblichen Verzugszinsen, die mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der Bundesbank angesetzt werden (LG Hamburg, Urteil vom 4. August 2016, (Az. 321 O 10/16). Dadurch reduziert sich die Restschuld in der Regel um weitere 10 bis 20 Prozent. Allerdings berechnen einige Gerichte den Ersatz nur mit 2,5 Prozentpunkten. Auch bei einem Kfw-Darlehen durfte die Bank nicht auf eine Widerrufsbelehrung verzichten. Fehlt sie, kann der Darlehensnehmer widerrufen (LG Lüneburg, Urteil vom 7. Oktober 2016, Az. 5 O 262/14).
Widerrufsbelehrungen können also zahlreiche Fehlerquellen aufweisen:
Falsche Fristbelehrung– Manche Banken haben sich bei ihrer Widerrufsbelehrung an die (nicht verpflichtende) Musterwiderrufsbelehrung 2002 gehalten. Doch gleich mehrere Gerichte halten eine darin verwendete Formulierung für unzureichend. Es handelt sich um den Satz: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“ Das Wort „frühestens“ ist unklar. Es suggeriert dem Darlehensnehmer fälschlicherweise, die Frist könne eventuell auch später beginnen (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010, Az VII ZR 82/10.
Fehlender Hinweis auf Rechtsfolgen– Eine Widerrufsbelehrung ist immer dann fehlerhaft, wenn sie die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht erläutert oder gar falsch darstellt (LG Köln, Urteil vom 17. September 2013). Auch ungenaue Begrifflichkeiten machen eine Widerrufsbelehrung ungültig. Steht zum Beispiel in der Belehrung, dass Zahlungen innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der „Widerrufsbelehrung“ erstattet werden müssen, ist dies unzutreffend und nicht nur ein Schreibversehen der Bank. Es hätte Absendung der „Widerrufserklärung“ heißen müssen (KG Berlin, 20. Oktober 2015 zur DKB).
Fehlender Hinweis auf verbundenes Geschäft – Eine Widerrufsbelehrung ist auch dann falsch, wenn die Bank nicht auf die Rechtsfolgen des Widerrufs verbundener Geschäfte hingewiesen hat. Um ein verbundenes Geschäft handelt es sich zum Beispiel dann, wenn ein Kunde seinen Darlehensvertrag zusammen mit einer Rechtsschuldversicherung abgeschlossen hat (LG Wuppertal, Urteil vom 8. Mai 2012, Az. 5 O 377/11) Weicht eine Belehrung bei einem verbundenen Geschäft vom Mustertext ab und steht statt „erklären“ nur „klären“, ist der Sinn des Textes verkehrt (LG Berlin, 23. September 2014, Az 4 O 65/14).
Ergänzende Formulierungen– Ergänzende Formulierungen, die für den Kreditnehmer verwirrend und unverständlich sind, machen eine Belehrung fehlerhaft (BGH, 10. März 2009, Az. XI ZR 33/08).
Ergänzende Fußnote – Einige Banken haben bei der Widerrufsfrist folgende Fußnote angefügt: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. Eine solche Fußnote ist im Muster aber nicht vorgesehen. Der Zusatz richtete sich offenbar an die Mitarbeiter der Bank, die nach einer Prüfung die einschlägige Frist einsetzen sollten. Für den Verbraucher ist ein solcher Hinweis aber unklar. Er könnte denken, er müsse die Frist selbst noch prüfen. Die Widerrufsbelehrung ist deshalb unwirksam(OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2013, LG Siegen, Urteil vom 24. Juli 2015, LG Kiel, Urteil vom 3. Mai 2016 – Förde Sparkasse). Es stellt auch eine erhebliche Abweichung vom Muster dar (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016, AZ XI ZR 564/15).
Keine Anpassung auf den Einzelfall– Banken müssen die Widerrufsbelehrung immer konkret auf den Vertrag hin formulieren, um den es geht. Listet das Institut dagegen alle möglichen Gestaltungshinweise in der Belehrung auf, ist die Belehrung fehlerhaft (LG Köln, Urteil vom 17. September 2013). Eine Widerrufsbelehrung mit Ankreuzoptionen kann allerdings den Anforderungen des Gesetzes entsprechen, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 23. Februar 2016). Die Gestaltung darf aber nicht unverständlich sein. Eine Belehrung mit Ankreuzvarianten der Sparkasse Hamburg-Buxtehude hielt das Landgericht Lüneburg deshalb für unwirksam (LG Lüneburg, Urteil vom 7. Oktober 2016, Az 5 O 262/14).
Das verbraucherfreundliche Urteil des BGH vom 12. Juli 2016 zum Widerrufsrecht ist richtungsweisend. Loslegen können jetzt auch Kunden, die ihren Kreditvertrag schon widerrufen haben, zunächst aber das BGH-Urteil abwarten wollten. Rechtsanwalt Hagemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht überprüft ihren Darlehensvertrag schnell und unverbindlich. Er verfügt über eine umfangreiche Urteilssammlung und hat bundesweit Klagen eingereicht. Unsere Kanzlei hilft Ihre Rechte durchzusetzen!
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